Was ist eigentlich MLAT - Multilateration?

 

MLAT, die Abkürzung steht für Multilateration, ist ein Verfahren zur Peilung von ausgesendeten Funksignalen. Zivilflugzeuge die - per Gesetz verordnet - Transpondersignale aussenden (siehe Beitrag zu Radar, Technik und Anwendungen) können damit - ohne dass man eine konventionelle Radarstation dafür benötigt - geortet werden.

Wie im Beitrag zu Radar, Technik und Anwendungen ausgeführt, strahlen Zivilflugzeuge immer wenn sie von einer Radarstation danach gefragt werden, Transpondersignale ab. Ganz moderne Flugzeuge senden dabei ihre eigenen Positionskoordinaten bereits freiwillig aus - das ADS-B Signal - bei diesen benötigt die Bodenstation keine weitere Verarbeitung und kann diese Koordinaten gleich verwenden.

Fluzeuge älterer Bauart machen das allerdings noch nicht. Sie senden per Transponder nur ihre Identität (in Form eines 4-stelligen Zahlencodes) und ihre Flughöhe (ebenfalls in Form eines 4-stelligen Zahlencodes) aus, aber keine Positionsmeldung. Um die Position so eines Flugzeuges zu bekommen, muss immer noch eine komplette Radarstation zum Einsatz kommen. Mit Einführung von moderner leistungsfähiger Signalverarbeitung ist dieses Problem aber auch anders lösbar.

Nehmen wir an, unsere Flugsicherungsorganisation verteilt im ganzen Land simple Empfangsantennen, die so eine Transponderaussendung alle gleichzeitig empfangen können (in Österreich sind es beispielsweise 70 - soviel sei schon vorab verraten). Sendet ein Flugzeug jetzt "irgendetwas" aus, dann bekommen alle 70 Empfänger diese Aussendung mit. Doch, sie bekommen dieses Empfangssignal nicht genau zur exakt gleichen Zeit mit.

    

Je nachdem, wie weit das Flugzeug von den einzelnen Antennen weg ist, benötigen die mit (nahezu) Lichtgeschwindigkeit durch den Raum ziehenden Funkwellen länger oder kürzer zur jeweiligen Empfangsantenne. Das heisst, jeder dieser Empfänger bekommt das Empfanssignal um einen winzigen Sekundenbruchteil anders, als seine Nachbarempfänger. Alle diese Empfänger sind mit einem Zentralrechner verbunden und melden dem Rechner nun den exakten Zeitpunkt an dem sie das Signal gehört haben.

Natürlich sind diese Zeitunterschiede winzigst(!) - die Funkwelle legt ja in jeder Mikrosekunde (µsec) allein 300m durch den Raum zurück. Aber mit einem hochgenauen Systemtakt, sauberen Verbindungsleitungen und entsprechend schnellen Signalprozessoren kann der Zentralrechner diese winzigen Zeitunterschiede - die "Difference in Time of Arrival"  DTOA - schon erkennen. Nachdem der Zentralrechner die genaue geografische Position all seiner Empfänger kennt (die werden natürlich bei ihrer Installation hochgenau vermessen) kann er, sobald mehr als vier Empfänger das gleiche Signal empfangen, daraus mit Hilfe des pythagoräischen Lehrsatzes die Position des Flugzeugsenders im Raum berechnen.

 

 

Für die Mathematiker unter uns: Jene Funktion die eine konstante Differenz zwischen zwei (Brenn-) Punkten beschreibt, ist die Hyperbel. Es handelt sich hierbei also um Hyperboloidschnitte. Zwei Empfänger gemeinsam ergeben zwei Hyperboloidflächen auf denen das Ziel irgendwo liegen kann. Drei Empfänger gemeinsam ergeben sechs Hyperboloidschnittlinien, von denen nur drei gemeinsame Punkte haben, die durch eine Verbindungslinie abgebildet werden können auf der das ZIel irgendwo liegt. Und vier Empfänger gemeinsam geben einen Schnittpunkt aus drei Hyperboloidflächen (eigentlich zwei Schnittpunkte, deren zweiter eine nicht praktikable Lösung "im Erdinneren" ergibt) - und genau dort ist das Flugzeug! Sobald eine Flugzeugaussendung von mindestens vier Empfängern gemeinsam "gesehen" wird, kann der Zentralrechner deren Position genau ausrechnen.

Wem - als langjährigem Leser unserer ATCNEA-Artikel - dieses Prinzip jetzt irgendwie bekannt vorkommt, der hat Recht. Nach einem gleichartigen Prinzip funktioniert die Positionsbestimmung per GPS, wie ein früherer Kollege von uns schon einst in einem Artikel für die ATCNEA verfasst hatte - und heute in Wikipedia nachzulesen ist.

Dieses System hat grosse Vorteile gegenüber konventionellen Radarstationen. Man benötigt keine (teure) Radarstation mehr, die noch dazu starke Funkwellen aussendet. Und - bei einer ausreichend grossen Anzahl von Empfängern - kann man sich den einen oder anderen Empfängerausfall durchaus leisten, ohne dass gleich die ganze Ortung verloren geht. Damit können unsere Technikkollegen mit ihrer Reparaturanfahrt durchaus bis zum folgenden Arbeitstag warten, falls in der Nacht einer der Empfänger ausfallen sollte.

Bedingung ist dabei nur, dass das Flugzeug eben etwas aussendet. In Mitteleuropa werden Flugzeuge ständig von Radars aus den Nachbarstaaten abgefragt, sodass sie oft genug aussenden. Und moderne Flugzeuge senden inzwischen sowieso freiwillig jede Sekunde ihre Daten aus. Irgendwann einmal - in ferner Zukunft - werden alle Flugzeuge ihre ADS-B Position aussenden - und diese auch noch hochgenau. Dann werden die Flugsicherungen die Radarstationen und selbst die Multilateration auch nicht mehr brauchen. Aber das wird wohl noch eine Weile dauern......

 

Flightradar24 wendet diese Technik inzwischen auch an: siehe dazu den Artikel "Woher kommt das Bild von Flightradar24"

Ihr Zentralrechner kann die von den weltweit verteilten Empfängern gelieferten - mit timestamp versehenen - Empfangssignale auch zu Flugspuren, zu "Tracks" zusammenrechnen. Allerdings ist diese Positionsrechnung nicht sehr genau. Einerseits sind die eingesetzten Empfänger nicht sehr hochwertig, ihre Signalflanken sind nicht sehr steil - und damit ist der genaue Empfangszeitpunkt "verschmiert" (nicht vergessen, jede verlorene µsec sind 300m Positionsfehler!). Andererseits sind die ntp-Timestamps und die nachfolgende Übertragung über das normale Internet auch nicht hochwertig genug. Aber Flightradar24 muss ja auch keine Menschenleben schützen - und für die Darstellung einer Webpage reicht es allemal.